Odysseus Logos

Odysseus Logos - eine künstlerische Forschung über Vernunft, Freiheit und ihre Grenzen im Rahmen des Ethikums an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) 

Das Hörspiel mit dem Titel Odysseus Logos ist eine Komposition verschiedener Ausschnitte der Corona-Pandemie, gepaart mit musikalischen Elementen, unter anderem klassischer Musik. Das Ergebnis ist eine komplexe und emotional aufgeladene akustische Collage. Durch die Verwebung realer Ausschnitte aus Politik und Medien mit zahlreichen Szenen aus verschiedenen Hörspielen werden die Grenzen zwischen Realität und Fiktion auf ungewohnte Weise miteinander verbunden und die Hörenden (m/w/d) in eine immersive Erfahrung hineingezogen.

Die griechische Mythologie ist reich an Helden, aber keiner von ihnen ist so berühmt wie Odysseus. In Homers Epos Ilias wird Odysseus als Mann mit außergewöhnlichem Verstand und listigen Ideen beschrieben. Er beherrschte die Kunst des Redens und war in der Lage, die gewünschten Ergebnisse durch geschicktes Argumentieren zu erzielen. (Vgl. Kennedy, 1963, S. 37-39).

Frei nach Odysseus wird die Macht der Sprache, zusammen mit Logik zur Manipulation und Kontrolle einer Situation genutzt. Doch benötigen wir auch die Vernunft, welche wie ein Kompass durch das unvorhersehbare Meer des Lebens führt und hilft, zwischen den Klippen der Irrationalität und den Stürmen der Emotionen sicher zu navigieren.

Der Ausdruck Logos (lógos) meint die Wissenschaft von der Vernunft und das geistige Vermögen, welches uns ermöglicht, die Wahrheit zu erkennen und nach ihr zu handeln (vgl. Newmark, 2021, S. 8). Menschen, die in der Lage sind, ihre Emotionen und inneren Impulse (Triebe) zu kontrollieren, sind eher imstande, die Realität als solche wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Im Gegensatz dazu können Menschen, die von ihren Trieben und Gefühlen dominiert werden, Schwierigkeiten beim Erkennen der Wahrheit haben und werden dementsprechend weniger danach handeln. „Etwas wissen heißt für die Stoa[*], eine Aussage behaupten können, die nachweislich wahr ist.“ (Forschner, 1996, S. 29).

Die Fähigkeit, vernunftgeleitete Entscheidungen zu treffen, ist vor allem in Ausnahmesituationen wie einer globalen Pandemie eminent wichtig. Die Grundrechtseinschnitte, der emotionsgeladene, teils entmenschlichende Diskurs während der Pandemie und die Auswirkungen auf unsere Demokratie ist zentrales Thema dieser künstlerischen Forschung.

Das Hörspiel Odysseus Logos beruht auf dem Film 2001: Odyssee im Weltraum (Originaltitel: 2001: A Space Odyssey) vom Produzenten und Regisseur Stanley Kubrick in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Arthur C. Clarke. Initial ist der Akt Aufbruch der Menschheit (The Dawn of Man).

Eine Gruppe Menschenaffen lebt in der kargen afrikanischen Savanne an einer Wasserstelle. Ihr Alltag ist bestimmt von Angst, Not und dem Kampf ums nackte Überleben gegen Leoparden und Artgenossen des rivalisierenden Stammes. Über Nacht taucht scheinbar aus dem Nichts ein schwarzer, rechteckiger, drei Meter hoher, glattpolierter Monolith auf. Das mystische Artefakt wird zögerlich von den anfangs verängstigten Affen berührt. Der Grundstein für eine evolutionäre Bewusstseinsveränderung ist gelegt. Einer der Affen fasst beim Anblick eines Oberschenkelknochens den Gedanken, jenen Knochen nicht nur als Werkzeug, sondern auch als Waffe zu verwenden. Die Grenzen wurden erweitert, womit eine neue Ära anbricht. Gleichzeitig verändert sich der Umgang der Tiere untereinander.

Die Szene wird musikalisch mit dem Stück Requiem vom österreichisch-ungarischen Komponisten György Ligeti begleitet. Das Hörspiel Odysseus Logos beruht auf diesem Stück als Grundpfeiler.

Die künstlerische Forschung entspringt dem Ringseminar „‘Über den Wolken …‘ – Freiheit und ihre Grenzen“ von Dr. Frank Töpfer, welches im November und Dezember 2022 im Rahmen des Studiums generale an der HfWU in Nürtingen stattfand. Die Veranstaltung gehört zum HfWU-Modul "Philosophie, Ethik und Nachhaltigkeit" und ist Teil des Ethikums, welches neben dem Hauptstudium erworben werden kann und eine intensive Auseinandersetzung mit den Themen Ethik, nachhaltige Entwicklung und soziale Kompetenzen bescheinigt.

In der künstlerischen Forschung werden verschiedene philosophische und ethische Fragestellungen in Zusammenhang mit der Idee von Freiheit und ihren Grenzen gebracht. Darüber hinaus wird untersucht, ob einflussreiche Menschen über ausreichend soziale Kompetenzen verfügen, um in Ausnahmesituationen wie einer globalen Pandemie verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Insbesondere wird die Bedeutung von Vernunft und Logik in Bezug auf die Fähigkeit, realitätsnah und logisch zu argumentieren und nachhaltige Lösungen zu finden, hinterfragt. Dabei soll gewährleistet werden, dass die gefundenen Lösungen vernunftgeleitet und fair sind und nicht durch Emotionen oder gruppendynamische Prozesse bestimmt werden.

"Gibt es etwas Gefährlicheres als unzufriedene und verantwortungslose Götter, die nicht wissen, was sie wollen?", schreibt Harari (2013, S. 508). Eine Frage, die uns zum Nachdenken anregen soll. Wie gehen wir als Menschen mit unserer Macht und Verantwortung um und welche Konsequenzen hat unser Handeln? Sich seiner Verantwortung bewusst zu sein und sich dafür einsetzen, dass dieses Handeln im Einklang mit ethischen und moralischen Grundsätzen steht, sollte stets reflektiert und diskutiert werden. Dabei müssen wir als demokratische Gesellschaft die Ziele definieren, Kosten und Nutzen gemeinsam abwägen und Machtmissbrauch und Tyrannei verhindern. Unser Rechtsstaat ist ein wichtiges Instrument, um Willkür zu verhindern und die Grundrechte der Bürger zu schützen.

Vor 70 000 Jahren war der Homo sapiens ein unbedeutendes Tier, das in einer abgelegenen Ecke Afrikas seinem Leben nachging. In den folgenden Jahrtausenden stieg es zum Herrscher des gesamten Planeten auf und wurde zum Schrecken des Ökosystems. Heute steht es kurz davor, zum Gott zu werden und nicht nur die ewige Jugend zu gewinnen, sondern auch göttliche Macht über Leben und Tod. (Harari, 2013, S. 507)

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Das Titelbild entstand durch die Verwendung von zwei mit „PlaygroundAI“ generierten Bildern, die mittels der Bildbearbeitungssoftware Gimp zu einer digitalen Collage vereint wurden. Die Grafik ist eine Anspielung auf die Stoa und den hitzigen Meinungsverschiedenheiten, die innerhalb dieser Schule ausgetragen wurden.

Literatur:

Kennedy, G. (1963). The Art of Persuasion in Greece. New Jersey: Princeton University Press.

Newmark, C. (2021). Chronologie (S. 8-14). Philosophie Magazin Sonderausgabe (18), 8-14.

Harari, Y. N. (2013). Eine kurze Geschichte der Menschheit. München: Pantheon.

Forschner, M. (1996). Die Ältere Stoa. In: F. Ricken (Hrsg.), Philosophen der Antike, Band II. Stuttgart: Kohlhammer.